Profil

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Die Leitidee von Europa im Nahen Osten – Der Nahe Osten in Europa (EUME) ist die Erforschung der historischen, politischen, religiösen, sozialen und kulturellen Verflechtungen und Grenzziehungen in und zwischen Europa und dem Nahen Osten. Gegenüber einem Denken in Gegensätzen und Dichotomien sollen die vielfältigen Rezeptions- und Übersetzungsprozesse, gemeinsame historische Vermächtnisse sowie die Mobilität von Personen und Ideen, eine geteilte Gegenwart und Zukunft ins Blickfeld treten.

EUME wurde 2006 als gemeinsames Forschungsprogramm der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der Fritz Thyssen Stiftung und des Wissenschaftskollegs zu Berlin begründet und steht in der Tradition des von 1996 bis 2006 vom Land Berlin und dem BMBF geförderten Arbeitskreises Moderne und Islam (AKMI). Seit September 2011 wird EUME als Programm am Forum Transregionale Studien weitergeführt. EUME integriert Forschungsfelder und -themen, die an Bruchlinien nationaler, religiöser oder kultureller Vorverständnisse ansetzen. Aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven (Anthropologie, Islamwissenschaft, Philologie, Geschichte, Literaturwissenschaft, Politologie) zielt EUME darauf ab, die Bedeutung der Forschung zu außereuropäischen Kulturen und Gesellschaften für die Differenzierung der Geistes- und Sozialwissenschaften unter den Bedingungen globaler Verflechtungen und Fragmentierungen deutlich zu machen.

Mobile Traditionen: Vergleichende Perspektiven auf die nahöstlichen Literaturen (Friederike Pannewick und Samah Selim) ist ein literaturwissenschaftlich ausgerichtetes Forschungsfeld und untersucht nahöstliche Literaturen im Hinblick auf nationalphilologische Kanonbildungen und literarische Verflechtungen mit den Literaturen anderer Regionen.

Städtevergleich: Governance, Beratungsmechanismen, Pluralismus (Ulrike Freitag und Nora Lafi) möchte aus dem Blickwinkel der Städte am Mittelmeer und angrenzenden Regionen zu den Debatten über Pluralismus, Migration, Staatsbürgerschaft und Zivilgesellschaft beitragen.

Tradition und die Kritik der Moderne: Säkularismus, Fundamentalismus und Religion aus nahöstlichen Perspektiven (Amnon Raz-Krakotzkin) ist darauf ausgerichtet, Schlüsselbegriffe der Moderne im Horizont nahöstlicher Erfahrungen zu durchdenken, um zu inklusiven Vorstellungen von Politik und Gesellschaft beizutragen.

Politisches Denken, eine Archäologie der Gegenwart, gesellschaftlicher Wandel und die Transformationsprozesse im Nahen Osten sind weitere Schwerpunkte, die sich in den letzten Jahren herausgebildet haben und von mehreren Kollegiumsmitgliedern und Fellows vertreten werden (u.a. Cilja Harders, Friederike Pannewick, Rachid Ouaissa).
Derzeit werden zwei Forschungsprojekte, die vom European Research Council (ERC) gefördert werden, von EUME Fellows am Forum Transregionale Studien durchgeführt:

The Prison Narratives of Assad’s Syria: Voices, Texts, Publics (SYRASP) ist ein Vorhaben, das EUME-Fellow Anne-Marie McManus im Rahmen eines ERC Starting-Grants seit April 2020 für fünf Jahre verfolgt. Das Projekt beschäftigt sich mit der Analyse syrischer Gefängnisnarrative seit den 1970er-Jahren bis heute, mit oppositionellen und Überlebensnarrativen, die für die politische Kultur Syriens und seiner Diaspora eine besondere Bedeutung haben.

Beyond Restitution: Heritage, (Dis)Possession and the Politics of Knowledge (BEYONDREST) ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das von EUME-Fellow Banu Karaca geleitet wird. Es wird im Rahmen eines 5-jährigen ERC Consolidator-Grants gefördert und ist im Juli 2022 am Forum gestartet. Vor dem Hintergrund anhaltender Debatten zur Dekolonialisierung von Museen nimmt BEYONDREST Restitution nicht als End-, sondern als Ausgangspunkt, um zu untersuchen, welche Art von Verlust enteignete Kunstwerke erzeugen und wie dieser Verlust die Wissensproduktion über Kulturerbe geprägt hat.

Die Forschungsfelder und -themen bilden den Rahmen von EUME, in dessen Zentrum ein Postdoc-Programm steht, das jedes Jahr Fellows, insbesondere aus dem Nahen Osten, aber auch aus den USA, Afrika, Südasien und anderen europäischen Ländern, in der Regel für die Dauer eines akademischen Jahres, nach Berlin einlädt, um an ihren Forschungsvorhaben zu arbeiten. In den letzten Jahren kommen Wissenschaftler:innen verstärkt auch für längere Zeiträume als EUME-Fellows an das Forum, durch Stipendien der Alexander von Humboldt-Stiftung, der Gerda Henkel Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Calouste Gulbenkian-Stiftung, der Fritz Thyssen Stiftung, des Schweizer Nationalfonds, der Volkswagen-Stiftung, der Minerva Stiftung, des Doha Centers oder anderer Förderer.

Die EUME-Fellows sind entsprechend ihrer disziplinären Ausrichtung assoziiert am Leibniz-Zentrum Moderner Orient, der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für Literaturwissenschaftliche Studien, der Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies, dem Center for Global History, den Instituten für Geschichts-, Islam- und Politikwissenschaft und dem Seminar für Semitistik und Arabistik der Freien Universität Berlin oder dem Institut für Slawistik der Humboldt-Universität zu Berlin. Einige von ihnen sind als wissenschaftliche Mitarbeiter:innen am Forum angestellt.

Ein gemeinsames Berliner Seminar bringt die Interdependenzen der Forschungsfelder sowie die politischen und gesellschaftlichen Fragen zur Geltung, die mit den Bemühungen der Wissenschaftler:innen verbunden sind, eine neue Sprache für Kultur, Politik und Gesellschaft zu finden, die verbindet und nicht trennt. In Arbeitsgesprächen, Workshops und Sommerakademien können spezifische Themen vertieft werden.

Seit den Anfängen des Arbeitskreises Moderne und Islam (AKMI) im Jahr 1996 forschten über 350 Postdocs als Fellows des AKMI oder von EUME für mindestens ein Jahr in Berlin. Internationale Workshops trugen zur Erweiterung der wissenschaftlichen Kontakte bei. Komplementär zu den Aktivitäten in Berlin wurden ab 1996 regelmäßig Sommerakademien und Workshops in der Region abgehalten.

So führte das Programm seitdem mit mehr als 2000 Wissenschaftler:innen aus Deutschland, Europa, den USA und arabisch und muslimisch geprägten Ländern und Israel wissenschaftliche Debatten über Konzepte von Recht und Ordnung, Grenzziehungen in religiösen Traditionen, zum Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher sozialer, ethnischer und kultureller Herkunft in den Städten des Mittelmeerraums, zu Kanonisierungsprozessen in Literatur und Geschichtsschreibung, zu Fragen der Hermeneutik, Grenzziehungen zwischen Christentum, Judentum und Islam, zur Bedeutung von Exil und Rückkehr im palästinensischen und israelischen Diskurs, der Rolle von Kunst und Kultur im politischen Prozess, dem Zusammenhang von Archiv, Macht und Öffentlichkeit oder der Mobilität von Personen und Ideen zusammen. Nahezu alle ehemaligen Fellows und Sommerakademie-Teilnehmer:innen erhielten in der Zwischenzeit Assistenzprofessuren oder Professuren an Universitäten. Die Mehrzahl ist an Einrichtungen im Nahen Osten tätig.

EUME wird von einem Kollegium verantwortet, das derzeit aus Ulrike Freitag (Leibniz-Zentrum Moderner Orient), Cilja Harders (Sprecherin des Kollegiums; Freie Universität Berlin), Nora Lafi (Leibniz-Zentrum Moderner Orient), Rachid Ouaissa (Philipps-Universität Marburg), Friederike Pannewick (Philipps-Universität Marburg), Amnon Raz-Krakotzkin (Ben-Gurion University, Beer Sheva), Samah Selim (Rutgers University) und Stefan Weber (Museum für Islamische Kunst, Berlin) besteht.