EUME Workshop
Di. 26 Feb. 2008

Aneignung, Relektüre, Redaktion: Interdisziplinäre Perspektiven auf Psalter und Koran

Der Workshop findet im Rahmen des Forschungsfeldes „Der Koran als Text einer gemeinsamen Antike und geteilten Geschichte“ von „Europa im Nahen Osten – Der Nahe Osten in Europa“ (EUME) statt.

Wissenschaftskolleg zu Berlin, Villa Jaffé, Wallotstr. 10, 14193 Berlin

Program

 

Im Januar 2007 hat das Projekt Corpus Coranicum – Textdokumentation und Kommentar zum Koran der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften seine Arbeit aufgenommen, dessen Ziel eine Dokumentation der koranischen Textüberlieferung und ein ausführlicher Korankommentar sind. Letzterer soll den Koran einerseits konsequent im Rahmen seines historischen Kontextes auslegen, indem er systematisch inhaltliche und terminologische Überschneidungen mit spätantiker jüdischer, christlicher sowie altarabischer Literatur registriert. Andererseits nimmt der Kommentar den Koran aus einer konsequent diachronen Perspektive in den Blick, d.h. als ein in über zwei Jahrzehnten gewachsenes Textkorpus, welches formale und inhaltliche Differenzen aufweist und in dem frühere Suren durch spätere Rückbezüge und Ergänzungen vielfach aus- und umgedeutet werden.

Beide Anliegen – eine historische Kontextualisierung des Koran sowie eine exegetische Aufarbeitung seiner Prozessualität – erfordern ein Überdenken herkömmlicher Vorstellungen von intertextueller Bezüglichkeit einerseits und Fortschreibung und Redaktion andererseits. Der koranwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem über Jahrhunderte gewachsenen Methodenbewußtsein und –reichtum der Biblistik kommt hierbei ein bisher noch kaum genutztes Innovationspotential zu. Tatsächlich wird die philologische Erschließung kanonischer Texte wie der Hebräischen Bibel oder dem Koran allzu häufig von zwei falschen Oppositionen geprägt, die sich jeweils aus einem reduzierten Originalitätsbegriff speisen: Erstens wird intertextuelle Bezüglichkeit als lineare ‚Abhängigkeit’ bzw. ‚Übernahme’ von ‚Quellen’ verstanden. Schnittpunkte zwischen der Hebräischen Bibel und altorientalischen Literaturen oder zwischen dem Koran und spätantiken jüdisch-christlichen Diskursen werden dann entweder als Belege für die Epigonalität der betreffenden Texte verstanden oder aber im Interesse eines Festhaltens an ihrer literarischen Eigenständigkeit heruntergespielt; in dem Maße, in dem eine Kontextbezüglichkeit des jeweiligen Textes nachgewiesen wird, erscheint somit die ‚Originalität’ und das autonome Sein des Textes gefährdet. Zweitens werden Fortschreibungs- und Redaktionsprozesse, wie sie sowohl innerhalb der Hebräischen Bibel als auch im Koran nachweisbar sind, unter einen ähnlichen ‚Epigonalitätsvorbehalt’ gestellt. Interpretative Fortschreibung und Redaktion erscheinen damit als defizititäre Schwundformen eines auf die jeweils früheste Textschicht beschränkten ursprünglichen Inspirationsmoments, welches sich dann sukzessive verflüchtigt. 

Anliegen des Workshops war es, anhand konkreter biblischer und koranischer Textbeispiele die gängigen Opposition von Text und Kontext einerseits und die von (Ur-)Text und Fortschreibung / Redaktion andererseits zu hinterfragen. Da das Arbeitsgespräch auf der Grundlage möglichst konkreter Textbeispiele stattfand, konnte keinesfalls die gesamte Hebräische Bibel thematisiert werden. Als Referenztext bot sich deshalb der Psalter als ein formal, funktional und längenmäßig mit dem Koran vergleichbares Textkorpus an. Als zeitlicher Rahmen des vorgestellten Arbeitsgespräch erschienen zwei Sitzungen à drei Stunden ideal, die jeweils durch zwei kurze (ca. 20-minütige) Präsentationen eingeleitet werden sollten, in denen der betreffende Themenkomplex sowohl aus bibel- wie aus koranwissenschaftlicher Perspektive angeschnitten wurde. Die verbleibende Zeit konnte für eine interdisziplinäre Diskussion der angesprochenen Problematik auf der Grundlage der vorgestellten Textbeispiele genutzt werden. Im Einzelnen gestaltete sich der Aufbau wie folgt: 

 

Schedule: 

2.30 pm — 4.30 pm
Sitzung 1: Aneignungs- und Relektüreprozesse im Psalter und im Koran

Die Reduktion intertextueller Schnittpunkte auf eine mechanistisch gedachte ‚Übernahme’ früherer Quellen läßt sich besonders überzeugend an der koranischen Aufnahme, Umfunktionalisierung und Überbietung psalmischer Assoziationen hinterfragen. Daß Redaktions- und Fortschreibungsprozesse häufig eigene theologische Akzentsetzungen mit sich bringen, ist u.a. an der Redaktion des Psalter erkennbar, der sich, wie E. Zenger verschiedentlich geltend gemacht hat, keineswegs auf eine mechanische Sammlung aller verfügbaren Psalmentexte beschränkt.

Moderation: Nicolai Sinai
F.L. Hossfeld
: Der Psalter und seine Redaktionen
A. Neuwirth: Koranische Relektüren der Psalmen 

5 pm — 7 pm
Sitzung 2: Prämissen und Format einer Kommentierung von Psalter und Koran

Die zweite Sitzung sollte anhand des Psalmenkommentars von Hossfeld / Zenger exemplarisch thematisieren, welche exegetischen Methoden und Formate sich aus einer Hinterfragung gängiger Vorstellungen von Originalität und Epigonalität ergeben und wie ein wissenschaftlicher Kommentar Prozesse der Aneignung, Fortschreibung, Redaktion und Kanonisierung transparent machen kann.

Moderation: M. Marx
E. Zenger: Der Psalmenkommentar von Hossfeld/Zenger
N. Sinai: Zum Projekt eines ausführlichen Korankommentars 

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